„Wir Protestanten sprechen vom Priestertum aller Gläubigen, aus der Mitte der Gemeinde heraus. Ich freue mich über die Beauftragung der neuen Lektorinnen und Lektoren, die den Reichtum der kirchengemeindlichen Gottesdienste vergrößern“, sprach Superintendentin Verena Jantzen neben einer großen Bereicherung für die Gemeinden auch von einer wachsenden Vielfalt im Pfarrdienst. In einem Passionsgottesdienst in der Paul-Gerhardt-Kirche im Aachener Stadtteil Richterich wurden fünf neue Lektorinnen und Lektoren durch Superintendentin Verena Jantzen beauftragt, in ihren jeweiligen Gemeinden Gottesdienste mit Lesepredigten zu feiern. Aus Aachen-West sind Gerd Gadermann, Rainer Imhof und Alexander Kuckelberg dabei, aus Aachen-Süd Bernhard Grundmann und aus der Lydia-Gemeinde Herzogenrath Maya Pietschmann.
Ehrenamtliche verstärken den Verkündigungsdienst
Kinder der Gemeinde
Sie alle haben von August 2024 bis Februar 2025 an einer Schulung teilgenommen und können mit ihrer Beauftragung nun in den jeweiligen Gemeinden Gottesdienste feiern. Die ehrenamtlich tätigen Lektorinnen und Lektoren wählen auch die Lieder und Gebete aus, müssen jedoch bei Predigten auf autorisierte Lesepredigten zurückgreifen, die in einer Datenbank ausgewählt werden können. Selbstständig formulierte Predigten bedürfen der Freigabe einer ordinierten Person. „Lektorinnen und Lektoren sind Kinder der Gemeinde. Sie tun das, was sie schon immer in einem anderen Rahmen getan haben, beispielsweise bei Familiengottesdiensten“, sagte Superintendentin Verena Jantzen. Die Schulung sei eine sachliche und fachliche Unterfütterung, in der unter anderem auch an der liturgischen Präsenz gefeilt werde, das Handwerkszeug, aber auch das „Geist-Werkzeug“ vermittelt werde.
Mehr als klassische Sonntagsgottesdienste
Der ehrenamtliche Verkündigungsdienst, zu dem neben den Lektoren auch die mit mehr Befugnissen ausgestatteten Prädikanten gehören, gewinnt zunehmend an Bedeutung. Gerade in ländlichen Regionen, in denen Lektoren und Prädikanten beispielsweise zusätzliche Gottesdienste in Altenheimen, Pflegeeinrichtungen und Schulen übernehmen beziehungsweise überhaupt erst anbieten können. Ihr Repertoire umfasst ganz oft mehr als nur klassische Sonntagsgottesdienste. Während Lektoren ausschließlich für den Dienst in ihrer Gemeinde beauftragt sind, können Prädikanten im gesamten Kirchenkreis tätig sein. Prädikantinnen und Prädikanten benötigen ebenfalls kein Theologiestudium, werden aber in der weiteren Ausbildung geschult, Predigten selbstständig zu erarbeiten, zu taufen und das Abendmahl mit den Gemeinden zu feiern. Jeder Lektor, jede Lektorin könne bei Eignung Prädikant beziehungsweise Prädikantin werden, müsse es aber nicht. „Wir wünschen jedem Menschen, dass er seine Berufung weiter verfolgen kann und fördern dies“, betonte Superintendentin Verena Jantzen.
Teil des Verkündigungsteams der Zukunft
Die damalige Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Irmgard Schwaetzer, sah bereits vor einigen Jahren in der Stärkung des kirchlichen Verkündigungsdienstes eine zentrale Aufgabe für die Zukunftsfähigkeit der Kirche. Die Absolventen eines Theologiestudiums würden den Bedarf an Menschen, die in der Fläche des Landes Gottesdienste und Andachten gestalteten, nicht decken können. Seriös ausgebildete Ehrenamtliche seien daher Teil des Verkündigungsteams der Zukunft. „Natürlich füllen Lektorinnen und Lektoren Lücken. Aber sie sind keine Lückenfüller, sondern eine Bereicherung“, sagte auch Wolfram Witthöft, Pfarrer an der Paul-Gerhardt-Kirche in Richterich: „Sie bringen einen anderen Klang rein, eine andere Stimme, andere Lieder und Bibeltexte. So entsteht keine Monokultur, die Menschen sind neugierig und kommen in die Kirche.“
Auch Maya Pietschmann sieht sich nicht als Ehrenamtliche zweiter Klasse. „Wir haben alle einen ganz unterschiedlichen beruflichen Hintergrund, der uns prägt. Diese Vielfalt an Verkündigung erreicht auch andere“, ist sie überzeugt. „Ich habe immer wieder in Andachten mitgewirkt und Jugendgottesdienste gestaltet. Die Frage, ob ich mir vorstellen könnte, Prädikantin zu werden, habe ich mit ‚Ja‘ beantwortet, aber es fehlt die Zeit“, schildert Maya Pietschmann, warum sie stattdessen von August 2024 bis Februar 2025 die Lektoren-Ausbildung absolvierte. „Neben Arbeit und Studium ließen sich die zehn Termine der Schulung gut einplanen“, sagt die 29-Jährige, die sich bereits seit 16 Jahren ehrenamtlich in der Gemeinde engagiert.
Gemeindeleitung als Ehrenamt
Das dritte zentrale Ehrenamt ist die Arbeit als Presbyterinnen und Presbyter. Jede Kirchengemeinde wird vom Presbyterium geleitet, dies geschieht in gemeinsamer Verantwortung von Pfarrerinnen/Pfarrern und Presbyterinnen/Presbytern. Das Presbyterium wählt eine Vorsitzende oder einen Vorsitzenden aus seiner Mitte. Die einzelnen Aufgaben eines Presbyteriums sind dabei sehr vielfältig, das Presbyterium kümmert sich beispielsweise um alle personellen, finanziellen und baulichen Angelegenheiten der Gemeinde. Das Presbyterium legt unter anderem die Zahl der Gottesdienst und deren Zeiten fest, es ist verantwortlich für die Arbeit mit Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen, es stellt die haupt- und nebenberuflichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein und übt die Dienstaufsicht aus, es beauftragt ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und verwaltet das Vermögen der Kirchengemeinde. Die Amtszeit der Presbyterinnen und Presbyter beträgt vier Jahre. Kandidatinnen und Kandidaten müssen am Wahltag mindestens 18 Jahre alt und zum heiligen Abendmahl zugelassen sein.
(Text: Stephan Johnen / Kirchenkreis Aachen)